Erfahrungen mit dem Referendariat – die schlimmste Zeit des Lebens?
Ich hatte großen Respekt vor dem Eintritt ins Referendariat. Teilweise sogar richtige Angst. Wer hätte zu dem Zeitpunkt denn vorhersehen können, wie es mir ergehen wird? Ob ich dem Stress, meinen Aufgaben und dem Unterrichten gewachsen bin? Und wenn man nach Erfahrungen mit dem Referendariat googlet, wird es noch schlimmer: Die schlimmste Zeit des Lebens liest man häufig.
Denn seien wir mal ehrlich: Ich fühlte mich durch mein Studium in keinster Weise vorbereitet auf meinen Beruf. Ins kalte Wasser geworfen. Ja, so war es auch.
Mittlerweile gibt es in Berlin eine neue Studienordnung, die im Master-Studiengang ein Praxissemester vorschreibt. In diesem sammelt man ein Halbjahr lang erste Erfahrungen als Lehrer, hospitiert bei Kollegen und lernt die Schule als Institution aus einer anderen Perspektive kennen. Obwohl ich finde, dass die Entwicklung eine gute ist, steht sie im Masterstudium meiner Ansicht nach schon zu spät auf dem Plan. Aber ich schweife ab
Erfahrungen mit dem Referendariat: Ab ins kalte Wasser!
Und es war zunächst so wie man es viel liest: Ich wurde kopfüber ins kalte Wasser geworfen. Ich unterrichtete von Anfang an volle 10 Stunden. Alleine. Manchmal finden Doppelsteckungen mit Lehrern statt, um Referendare zu entlasten. Das hatte ich nicht. Auch keine Stunden zum Hospitieren, das wäre mein Privatvergnügen gewesen. Und da ich dafür keine Zeit hatte, denn jede Minute ging in die Stundenvorbereitung, habe ich nie hospitiert.
Mein Alltag im ersten Halbjahr
Ich habe vormittags, mittags und am Nachmittag unterrichtet und Seminare besucht. Wenn ich nach Hause kam, war da meine Tochter, die gekuschelt werden und die Zeit aufholen wollte, die ich nicht für sie da gewesen war. Wenn sie abends im Bett war, ging die Arbeit weiter: die Stundenvorbereitung musste gemacht werden. Am besten schon zwei bis drei Stunden im Voraus: für den Fall, dass die nächsten Tage etwas dazwischen kam, musste man gewappnet sein. Wenn ich fertig war, war ich so müde, dass ich ins Bett fiel und erst zum Start des neuen Schultages wieder aufstand. Das war mein Alltag im ersten Halbjahr.
Eine andere Sicht: Referendariat mit Kind
Natürlich ist das Referendariat mit Kind und eigener Familie ganz anders als unverheirateter Referendar, der höchstens einen festen Partner hat. Wo andere Referendare am Wochenende arbeiten, ist das für mich Familienzeit, denn meine Tochter ist am Wochenende natürlich nicht in der Kita. Deshalb arbeite ich in der Woche umso härter. Mein Ausgleich findet am Wochenende statt.
Was wirklich stressig ist
Das Einzige, was wirklich dauerhaften Stress für mich bedeutet, sind die Unterrichtsbesuche, die von mir aufwändig vorbereitet werden. Ich bin in der Hinsicht wirklich ein Perfektionist, was mir so manches Mal im Weg steht. Und ich muss an meiner zu selbstkritischen Haltung arbeiten, das weiß ich auch
Das Hin- und Hergefahre zwischen Seminaren, Schule und zu Hause ist auch nicht ohne, muss ich zugeben. Da gewöhnt man sich aber dran. Und manchmal hat man ja Glück und muss nicht so weit fahren. Dafür sind die Seminare wirklich aufschlussreich und nett, wenn man das Glück hat, gute zu erwischen. Richtigen Einfluss hat man darauf ja eher weniger.
Aussicht
Das Gute ist: Es wird besser. Ehrlich! An die Fahrerei gewöhnt man sich. Und auch die Stundenvorbereitungen werden irgendwann zur Routine: Am Anfang habe ich teilweise sieben bis zehn Stunden Vorbereitung für eine einzige 60-Minuten-Stunde benötigt. Das kann man sich gar nicht vorstellen, ist aber Realität. Die Routine muss sich erst einstellen.
Wenn das aber geschafft ist, entspannt sich alles etwas. Man braucht vielleicht zwei Stunden Vorbereitung pro Stunde, wenn man keine aufwändige Stationenarbeit macht oder einen Unterrichtsbesuch vorbereiten muss. Manchmal reicht auch eine Stunde oder gar eine halbe. Das kann man sich am Anfang gar nicht vorstellen vermutlich
Referendariat: Die schlimmste Zeit des Lebens?
Auf keinen Fall! Ich behaupte sogar das Gegenteil: Es ist bisher die beste Zeit meines Lebens – nur meine berufliche Laufbahn betrachtet, natürlich Doch ich weiß, wofür ich jetzt hart arbeite. Ich möchte Lehrerin werden. Von ganzem Herzen. Ich liebe das Arbeiten mit meinen Klassen, ich liebe das kollegiale Miteinander, ich liebe die Schule, an der ich mein Referendariat absolviere. Und ich weiß eines sicher: Der Lehrer-Beruf ist für mich meine Berufung.
Gleichzeitig weiß ich auch: Alles steht und fällt mit der richtigen Schule. Und die habe ich gefunden.
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