Tools, Tools, Tools. Jetzt halt: KI-Tools #KIBedenken
Nele Hirsch und Joscha Falck rufen zur Blogparade #KIBedenken auf und wie könnte ich anders als mitmachen. Vor allem, weil sie ein Thema auf die Tagesordnung bringen, über das ich zuletzt selbst oft nachgedacht habe: Waren wir über das Thema „Tools“ nicht hinaus? Ich dachte, wir hätten eines gelernt: Dass es nicht um Tools, sondern um sinnvolle Workflows geht, wie es Alicia Bankhofer vor einigen Jahren mal in einem Workshop so unglaublich treffend benannte. Und jetzt lese ich überall „KI-Tools“.
Tja, KI ist da und das Spiel beginnt von vorne! Ich möchte mich da gar nicht rausnehmen: Die Faszination rund um KI, die mich kurz nach Veröffentlichung von ChatGPT gepackt hat, hat auch bei mir dazu geführt, mich mit zahlreichen Tools zu beschäftigen, dem #instalehrerzimmer regelmäßig neue KI-Tools vorzustellen und damit zu dieser Entwicklung natürlich beizutragen. Versteht mich nicht falsch: Es gibt tolle und sinnvolle KI-Tools, die in die Schule gehören. Aber auf den Tools sollte nicht unser Fokus liegen.
Ich habe deshalb schnell damit begonnen, mich intensiv damit auseinanderzusetzen, was mir und den Lernenden ein Tool im Schulalltag eigentlich bringt, um meine Beiträge auf dieser Grundlage aufzubauen und konkret im Schulkontext einzubetten. Ist es einfach nur cool oder kann es wirklich etwas zu guter Bildung beitragen? Und wenn es diese Aufgabe zu erfüllen vermag, wie genau können Kompetenzen damit gefördert werden?
KI und gutes Lernen
Die erste Faszination ist vorbei. KI ist im Alltag angekommen. Denken wir über die neuste Vodafone Jugendstudie von Januar 2024 nach: 74 % der 14 – 20-Jährigen nutzen KI. Und etwa 3/4 dieser Jugendlichen werden darauf in der Schule nicht vorbereitet.
Wir brauchen im Bildungssystem nicht die 200. Vorstellung eines KI-Tools, wobei ich immer das Gefühl habe, dass gerade das eingefordert wird. Wir brauchen hier ein Umdenken und echte Auseinandersetzungen mit KI im Schulkontext. Und hier klammere ich uns Lehrkräfte mal aus, also: Wie können Lernende KI sinnvoll nutzen, um besser zu lernen? Um gut zu lernen? Wie kann ein guter Lernprozess aussehen, der kompetent macht und KI einbindet? DAS müssen Fragen sein, die wir uns stellen, denn KI ist längst im Alltag der Jugendlichen angekommen.
KI in einer neuen Aufgabenkultur
Eine ehemalige Kollegin hat es gestern bei einem Treffen, bei dem wir unweigerlich irgendwann auf das Thema KI kamen, sehr treffend formuliert. Als ich erklärte, dass wir uns mehr um neue Aufgabenformate bemühen müssen, um einen Reflexions- und Bewertungsprozess anzustoßen, sagte sie sinngemäß:
Ich sehe Folgendes: Meine Schüler:innen lassen sich Texte mit ChatGPT schreiben und für eine Bewertung des Textes müssten sie selbst die Grundlagen kennen. Viele meiner Schüler:innen kommen genau da aber gar nicht mehr hin, weil sie sich damit nicht mehr beschäftigen. Wie schaffe ich es also, dass sie in der Lage sind, einen Text auf Basis von bestimmten Kriterien zu bewerten, wenn ihnen die Motivation fehlt, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen? Denn eine KI löst das Problem ja sofort.
Berliner Lehrerin
Und das ist aus meiner Sicht eine der wichtigen Herausforderungen der KI-geprägten Zeit: Wie können wir Lernende dazu motivieren, Dinge zu lernen, die KI auch (und vielleicht sogar besser) kann? Die Antwort darauf darf nicht sein, dass sie dieses Wissen in Klassenarbeiten und Klausuren benötigen. Das Wissen um die Notwendigkeit muss (nicht ausschließlich, aber auch) aus dem Wissen über die Fehlbarkeit von KI kommen. Gleichzeitig ist es fraglich, ob Aufgaben, die eine KI in ein paar Sekunden lösen kann, heute noch sinnstiftend sind.
KI und ihre Fehler
Ich habe anfangs schon auf die neuste Vodafone Jugendstudie hingewiesen. Erschreckend ist, dass die Jugendlichen in ihrer KI-Nutzung alleine gelassen werden und diese völlig unreflektiert nutzen. Woher sollen sie von Phänomenen wie Halluzinationen und der Reproduktion von Vorurteilen erfahren? Wie sollen sie wissen, dass textgenerierende KI auf Basis der Wahrscheinlichkeitsrechnung funktionieren, aber kein eigenes Sprachverständnis besitzen?
Joscha Falck hat diesen Bereich in seinem Modell „Lernen und KI. Fünf Dimensionen für den Unterricht“ unter dem Begriff „Lernen über KI“ zusammengefasst. Um kompetent mit KI agieren zu können, benötigt es dieses Wissen. KI besitzen Grenzen und machen Fehler. Lernenden müssen diese Fehler erfahrbar gemacht werden – ganz praktisch, begleitet und unter Anleitung.
Was Schulen wirklich brauchen
Man sieht schon: Es gibt so viel wichtigere Themen im Schulkontext als das Thema Tools. Was jetzt an Schulen passieren muss, ist aus meiner Sicht Folgendes:
- Datenschutzkonforme KI-Tools müssen in der Schule zur Verfügung stehen. In allen Schulen.
- Fortbildungen für Lehrkräfte: Lehrkräfte müssen wissen, was KI kann und was nicht. Sie müssen selbst im Umgang mit KI geschult werden, um eine eigene Kompetenz zu entwickeln.
- Es braucht (schnell) Konzepte: Wie ist die Haltung gegenüber KI? Wie wird KI (nicht) genutzt? Wie wird es in den Unterricht eingebunden? Wenn du dich für die Arbeit an einem Konzept interessierst, schau gerne in meinem Beitrag zur KI-Handreichung vorbei.
Das „schnell“ in Punkt 3 ist natürlich gemein, denn schnell ein Konzept zu schreiben, tut weder gut noch ist es realistisch. Aber die Zeit ist an dieser Stelle unser Gegner – wie gesagt: Schon 74 % der Jugendlichen nutzen KI ohnehin. Es braucht Regeln und Haltung von Schulen, die einen Rahmen bilden und Sicherheit geben. Und das schon für die jüngeren Klassen und nicht erst in der Oberstufe.
KI-Tools Welche Diskussionen wir dann wirklich führen müssen
Wenn diese Punkte erledigt sind, die die Grundlage für weitere Entwicklungen bildet, geht es an die aus meiner Sicht so wichtige Unterrichtsentwicklung. Leider macht es kaum Sinn, die Unterrichtsentwicklung vorne anzustellen. Wo kein Konzept, keine Erfahrung von Lehrkräften vorhanden und kein datenschutzkonformer Einsatz möglich sind, braucht es keine Entwicklung von Aufgabenformaten und Unterricht im Bereich der KI.
Statt uns lange mit den Diskutieren einzelner Tools aufzuhalten, sollten wir eher die folgenden Fragen groß und breit diskutieren:
- Wie und in welchen Fächern können wir das Thema KI fest in Rahmenlehrpläne integrieren? Dabei sollten alle Bereiche abgedeckt werden: Grundlegendes Wissen darüber, wie KI arbeitet. KI zielführend nutzen. Reflexion und Bewertungsprozesse fördern. Natürlich müssen aber auch Bereiche festgelegt werden, in denen sinnvollerweise ohne KI gearbeitet werden soll.
- Welche Aufgabenformate machen so, wie sie bisher genutzt wurden, keinen Sinn mehr? Wie können wir diese umgestalten, so dass sie wieder sinnstiftend sind?
- Wie können wir nachvollziehbar begründen, dass es Aufgaben gibt, die weiterhin ohne KI bearbeitet werden müssen?
- Welche Aktivitäten der Lernenden führen zu einem kompetenten Umgang mit KI? Wie kann das in verschiedenen Fächern aussehen?
- Wie können wir KI sinnvoll in Prüfungsleistungen einfließen lassen? Welche Aufgabenformate sind passend für eine Prüfungssituation?
- Was bedeutet gute Bildung und ein guter Lernprozess in Bezug auf KI?
Schreib mir doch mal in die Kommentare, was deine Gedanken zum Thema sind: Welche Diskussionen müssen aus deiner Sicht wirklich geführt werden? Welche sind für dich überbewertet? Ich freue mich über den Austausch mit dir!
Wenn dir mein Beitrag gefällt, freue ich mich, wenn du auf meinen Profilen auf Instagram, YouTube oder Facebook vorbeischaust.
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[…] Der nächste Beitrag stammt von Jennifer Stier (@fraustier). Jennifer ist Gymnasiallehrerin, Fortbildner und Bloggerin aus Berlin. In ihrem Beitrag macht sie deutlich, dass der schulische Fokus trotz neuer faszinierender Programme nicht bei den Tools liegen sollte. Darüber hinaus schreibt sie über KI und gutes Lernen, eine neue Aufgabenkultur und was Schulen wirklich brauchen. Sie fordert, dass Schulen datenschutzkonforme Tools bekommen müssen, Fortbildungen zu organisieren und Konzepte zu erstellen sind, wie KI in der eigenen Schule genutzt wird. Und sie verweist auf die sehr empfehlenswerte KI-Handreichung, die sie für ihre eigene Schule erstellt hat.Vielen Dank für deinen Beitrag. Jennifers Gedanken findet ihr hier. […]