Die 5K-Kompetenzen für das 21. Jahrhundert
In der letzten Woche habe ich die Informationsabende für unsere iPad-Klassen inhaltlich vorbereitet. In diesem Format informieren wir die Eltern über unser Vorhaben und geben Raum für Fragen und Äußerung von Ängsten. Ich beschäftige mich in der Vorbereitung jedes Jahr mit den Gedanken von Jöran Muuß-Merholz zu den 4K: „Was Leute denken, was die 4K sind und was sie wirklich sind“. Der Beitrag ist fast auf den Tag genau 7 Jahre alt und hat für mich nichts von seiner Aktualität verloren. Ich verweise im Vortrag gerne auf seine Idee, weil ich sie überzeugend und eingängig finde. Lest es gerne nach, wenn ihr den Beitrag nicht kennt. Dieses Jahr kam mir das erste Mal der Gedanke, dass die 4K nicht mehr passgenau für die Kompetenzen sind, die zukünftig von Bedeutung sein werden. Sie bedürfen einer Ergänzung, die ich in der Vorbereitung der Informationsabende vorgenommen habe. Daraus sind dann die 5K-Kompetenzen für das 21. Jahrhundert entstanden.
Diese Ergänzung möchte ich im heutigen Beitrag ausführen und gleichzeitig meine Gedankengänge für diese Entscheidung darlegen. Ich lade alle dazu ein, sich mit der Idee der 5K-Kompetenzen als zukünftige Schlüsselkompetenzen auseinanderzusetzen, sie zu diskutieren und/ oder Stellung zu beziehen. Ich freue mich auf einen konstruktiven Austausch!
Das Werk „Die 5K als Kompetenzen für das 21. Jahrhundert“ ist eine Bearbeitung von „Was die Leute für 4K halten – und was es wirklich ist“ von Jöran Muuß-Merholz, genutzt nach CC-BY 4.0. Die Bearbeitung erfolgte in Design, Bebilderung und der Ergänzung der Idee um eine 5. Kompetenz. „Die 5K als Kompetenzen für das 21. Jahrhundert“ steht untre CC-BY-SA 4.0 Jennifer Stier.
Hier gehts zu den Lizenzbedingungen: CC-BY-SA 4.0
Die 5. K-Kompetenz
Ich weiß, dass KI bei weitem nicht an allen Schulen angekommen ist. Bei den Schüler:innen ist es ganz sicher DAS Thema, Lehrkräfte haben davon gehört und manchmal wird sie auch regelmäßig genutzt, in der Schulentwicklung ist KI aber häufig noch kein Thema oder notwendige Schritte stehen noch aus. Dass der Umgang mit KI zukünftig von großer Bedeutung sein wird, ist sich selbst die KMK sicher. Es gibt mittlerweile einige überzeugende Modelle über das Lernen mit, über und trotz KI. Mich persönlich überzeugt am meisten das von Joscha Falck: Lernen und KI. 5 Dimensionen für den Unterricht. Dennoch habe ich länger darüber nachgedacht, ob es eine 5. Kompetenz eigentlich braucht.
Braucht es wirklich eine 5. Kompetenz?
Braucht es aber wirklich eine 5. Kompetenz für den Umgang mit KI? Wenn man sich ein paar Gedanken über das 4K-Modell macht, kommt man schnell zum Schluss, dass man KI durchaus mitdenken könnte. Anderenfalls ginge es dann nicht mehr um 4K-, sondern um 5K-Kompetenzen für das 21. Jahrhundert.
Kreativität:
Kreativität erfordert die Fähigkeit, Neues zu denken, alternative Lösungsansätze zu finden und auch mal ungewöhnliche Wege auszuprobieren. Generative KI können Schüler:innen Inspiration liefern und Denkanstöße geben, z. B. bei Problemlösungen. Teil der Kompetenz ist es aber, diese neuen Ansätze aus dem eigenen Denken heraus zu entwickeln. Reicht es also aus, eine KI als Ideengeber zu nutzen, um die vorgeschlagenen Wege dann einzuschlagen und zu testen? Ich denke nicht.
Es erscheint mir hier eher hinderlich, KI mitzudenken. Die lernförderliche Nutzung von KI muss durchaus erlernt werden, um die Funktionsweise von KI zu verstehen und die Ergebnisse entsprechend einordnen zu können. Es besteht ansonsten die Gefahr der einfachen Reproduktion – der Verlust der Eigenständigkeit und der eigenständig erbrachten Leistung, die für die besagte Kompetenz eine hohe Relevanz besitzt.
Kollaboration:
Kollaboration lebt von Interaktion, kritischer Auseinandersetzung und gegenseitigem Austausch – normalerweise zwischen Menschen. Könnte nicht aber auch der Austausch mit einer generativen KI mitgedacht werden? Irgendwie schon, doch das ausschließliche Arbeiten mit KI ersetzt nicht die zwischenmenschliche Dynamik und die Fähigkeiten, Ideen gemeinsam zu entwickeln und zu hinterfragen.
Natürlich könnten Lernende mit den entsprechenden Kenntnissen menschliche Gesprächspartner von einer KI imitieren lassen. Doch gleicht das einer echten menschlichen Interaktion? Das hinge sicherlich stark von den entsprechenden Anweisungen an die KI ab und birgt auf jeden Fall die Gefahr, die eigenen Kompetenzen im menschlichen Umgang nicht weiterzuentwickeln. Ohne entsprechende Kenntnisse im Umgang und Prompting würde der Prozess sicher negativ beeinflusst werden. Das lässt dann offen, ob der Lernende seine eigene Kompetenz überhaupt weiterentwickeln konnte. Insgesamt könnte das Einbeziehen der Interaktion mit KI die Arbeit an zwischenmenschlichem, gemeinsamem Lernen und Denken stark in den Hintergrund rücken lassen, was der Idee der Kompetenz entgegen steht.
Kommunikation:
Im Bereich der Kommunikation sollen Schüler:innen lernen, Gedanken, ihre Arbeiten und ihre Denkprozesse einem Publikum adäquat mitzuteilen. Sie lernen also, sich präzise auszudrücken und fachsprachlich korrekt, aber auch adressatengerecht zu kommunizieren. KI könnte im schriftlichen Prozess in vielerlei Hinsicht unterstützend wirken, kann aber keinen Ersatz für menschliches Verhalten bieten. Menschen interpretieren und verstehen Gesprochenes unterschiedlich, auch abhängig von Ausdruck, Mimik und Gestik, Vorwissen und Kontext. Ein wichtiger Teil der Kompetenz ist es, seine eigene Sprache angemessen reflektieren zu lernen. Es besteht letzten Endes die Gefahr, dass gerade dieser Aspekt vernachlässigt wird.
Kritisches Denken:
Im Bereich des kritischen Denkens könnte der Einsatz von KI eher kontraproduktiv sein. Schüler:innen sollen aus einer bestimmten Grundlage heraus abwägen, Bewertungen von Daten vornehmen und zu einer begründeten und reflektierten Entscheidung gelangen. Solange Schüler:innen nicht wissen, wie KI funktioniert, welche Grenzen existieren und aus welchen Gründen eine KI zu Ergebnissen gelangt, könnte es zu einer unreflektierten Reproduktion von Ergebnissen einer KI kommen, die das kritische Denken dann gar nicht mehr fördert. Insgesamt fehlt dem Nutzer bei KI-generierten Produkten die Transparenz der Ergebnisfindung, um Fehlinterpretationen, Vorurteile oder Datenlücken erkennen zu können.
KI kann durchaus als Lerngegenstand für die Förderung von kritischem Denken herhalten. Ich persönlich empfinde die Umkehrung, also mit KI das kritische Denken zu fördern, wenigstens als fragwürdig. Denn um mit KI das kritische Denken zu fördern, benötigen Lernende fundierte und spezifische Kenntnisse in der Arbeitsweise von KI.
Fazit: Ja zum 5. K!
Ich hoffe, es ist deutlich geworden, wo ich die Schwachstellen in der Einbettung der KI-Kompetenz in die bereits existierenden 4K sehe. Für mich kann es also nur heißen: Die 5K-Kompetenzen müssen her.
Trotz der sich rasant verändernden digitalen Landschaft sollte der Grundgedanke der einzelnen Kompetenzen nicht aus den Augen verloren werden. Denn diese Kompetenzen werden auch in ihrer ursprünglichen Form weiterhin wichtig bleiben. Bezieht man die KI-Kompetenz in die einzelnen Kompetenzen ein, könnten der Fokus zu verschoben oder sogar die eigentlichen Kompetenzen ad absurdum geführt werden.
Natürlich kann KI in der Entwicklung der einzelnen Kompetenzen aber eine Rolle spielen, die mal mehr und mal weniger groß ausfällt. Jede Förderung einer Kompetenz mit Hilfe von KI setzt aber voraus, dass bereits fundierte Vorkenntnisse vorhanden sind. Genau dort kann das 5. K, die KI-Kompetenz, ansetzen und den reflektierten Umgang mit KI fördern, Grundlagen vermitteln und den Einsatz von KI einüben.
Die 4K sind zeitlose und fachübergreifende Kompetenzen – die 5K können es ebenfalls sein. Nur jetzt werden die 4K durch die KI-Kompetenz ergänzt. Die Schüler:innen werden befähigt, KI zum Lernen, Arbeiten und Denken reflektiert und anwendungsbezogen zu ihrem Vorteil zu nutzen. KI-Kompetenz bezeichnet dabei mehr als das Nutzen eines Werkzeugs und ist schon jetzt so relevant im Alltag, dass wir sie nicht ignorieren können. Wir müssen die Schüler:innen schon heute in die Lage versetzen, KI im eigenen Lern- und Arbeitsprozess einsetzen zu können. Ich denke, wir können bisher nur ansatzweise erahnen, wohin die Reise mit KI gehen wird. Aber die Kompetenz, KI zu beherrschen und problemorientiert anwenden zu können, wird zukünftig sicher eine Schlüsselkompetenz darstellen.
Und jetzt bin ich neugierig. Ich lade dich ein, deine Gedanken zu den 5K-Kompetenzen als Zukunftskompetenzen zu verschriftlichen, mitzuteilen und zu diskutieren. Ich freue mich auf deinen Beitrag, den ich hier mit allen anderen Beiträgen gerne sammeln und verlinken werde.
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